CEJA STOJKA: WIR LEBEN IM VERBORGENEN
Heidelberger Kunstverein
21. Februar 2015 – 12. April 2015
›Ich habe zum Stift gegriffen, weil ich mich öffnen musste, schreien.‹ — Ceija Stojka
Der Heidelberger Kunstverein zeigt mit Ceija Stojka ›Wir leben im Verborgenen‹ in der Reihe ›Einzelausstellung: nicht alleine‹ Grafiken und Gouachen der Künstlerin Ceija Stojka (1933 – 2013). Die österreichische Romni Ceija Stojka überlebte als Kind die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und Bergen-Belsen. Erst Ende der 1980er Jahre – nach über 40 Jahren – beginnt sie Bilder und Worte für das Erlebte zu fi nden; sie schreibt Gedichte, Prosa und veröffentlichte 1988 ihre von Dr. Karin Berger herausgegebene Autobiografie ›Wir leben im Verborgenen‹. Sie überwindet damit ihre Angst, gibt sich als Angehörige der Minderheit der Roma zu erkennen und bricht als eine der Ersten das Schweigen über die Verfolgung und Diskriminierung. Sie initiierte damit einen Prozess der Auseinandersetzung mit der bis dahin verdrängten Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma. Sie nannte sich selbst eine, die den ›Wenigerheiten‹ zugehöre.
Im Zentrum der Ausstellung stehen Stojkas grafische Arbeiten, die mit einem stark expressionistischen Duktus ihre Erinnerung an Angst, Scham, Verfolgung und Tod in den Lagern zum Ausdruck bringen. In den Jahren von 1996 bis 2011 schuf sie so den rund 250 Blätter umfassenden Tuschezyklus ›Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz‹. Ihre ›dunklen Bilder‹ erzählen von dem alltäglichen Überlebenskampf bis zu ihrer Befreiung und sind doch gleichzeitig in ihrer Wort-Bild-Auseinandersetzung mit dem Unaussprechlichen nicht greifbar. So sind die stilistisch vielfältigen Zeichnungen oftmals mit lautsprachlichen Satzstücken und narrativen Elementen versehen. In surrealen Bildinhalten oszillieren die Werke zwischen abgründiger Realität und Farbigkeit des Lebens, zwischen abstraktem Gestus und dokumentarischem Erinnern. Ihre Grafiken werden zusammen mit den Malereien in einer eigens konzipierten Architektur von Amelie Marei Löllmann ausgestellt. Bücher, Texte, Filme und Dokumente kontextualisieren die Inhalte der Ausstellung. Zudem werden die Dokumentarfilme von Dr. Karin Berger ›Unter den Brettern hellgrünes Gras‹ und ›Ceija Stojka‹, in denen die charismatische Zeitzeugin über ihr bewegtes Leben berichtet, gezeigt.
Ceija Stojka war eine Künstlerpersönlichkeit, die mit ihrem bildnerischen, musikalischen und literarischen Werk ein einzigartiges und zutiefst berührendes Narrativ über die Verfolgung und den Genozid an den europäischen Sinti und Roma in der NS-Zeit geschaffen hat. Sie ›malte, um zu überleben‹ und fand in diesem Prozess Bilder und Worte, die an Dringlichkeit nie verlieren werden und bei den derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen aktueller sind denn je.
In Kooperation mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum der Deutschen Sinti und Roma in Heidelberg finden Führungen und Vorträge statt. Ausgangspunkt der Ausstellung bilden zwei in Berlin 2014 gezeigten Ausstellungen von Lith Bahlmann und Matthias Reichelt und die Monografie ›Ceija Stojka (1933 – 2013) – Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz‹.
Ceija Stojkas (*1933 in Kraubath an der Mur, Steiermark; † 2013 in Wien) künstlerische Arbeiten waren bereits auf zahlreichen internationalen Ausstellungen zu sehen (u. a. 2004 im Jüdischen Museum Wien und 2009 in der State University, Kalifornien, sowie der Pacific University, Oregon). Sie wurde mehrfach mit Preisen und Ehrungen ausgezeichnet, u. a. erhielt sie 2001 das Goldene Verdienstkreuz des Landes Wien, 2005 die Humanitätsmedaille der Stadt Linz und 1993 den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch. 2008 erhielt sie das Bundesehrenzeichen des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur für hervorragende Leistungen im Rahmen des interkulturellen Dialogs für den Katalog ›Ceija Stojka. Auschwitz ist mein Mantel. Bilder und Texte‹ und wurde 2009 durch eben dieses zur Professorin ernannt.
Der Heidelberger Kunstverein dankt dem Österreichischen Bundeskanzleramt, der Allianz Kulturstiftung und dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg für ihre Unterstützung.